Gisela Erlacher, Edgar Knaack, Gregor Graf
Drei Positionen zu Stadt-Landschaften in Österreich
»Fotografen verstehen mehr von Architektur als Architekten von Fotografie.«. (Verena von Gagern)
Drei österreichische Fotograf:innen zeigen in völlig unterschiedlichen Arbeitsansätzen und Positionen ihr fotografisches Verhältnis zum Stadt- bzw. Land-Raum und der dort auffindbaren und zu entdeckenden Architektur. Trotz der so diversen Arbeiten ergeben sich dadurch – ob ihrer präzisen Beobachtungen – unbekannte Aspekte und Ansichten zeitgenössisch vorfindbarer Bau- Lebens- und Konsumstrukturen in Österreich.
Gisela Erlacher
Gisela Erlacher konzentriert sich auf alltäglich präsente, in ihrer Unscheinbarkeit aber kaum wahrgenommene Elemente des ländlichen südsteirischen Architekturgefüges. Zum einen ist es die zwölfteilige Bildserie »Eigenheim, Südsteiermark«, in der sie uns durch die fotografisch formale Strenge der Frontalansicht erzählt, wie die Architektur und Hausgestaltung von Menschen und Baumeistern am Land funktioniert. Quasi als Gegenstück zu ihren kommerziellen fotografischen Architekturaufnahmen, die jedoch nur einen geringen Anteil dessen darstellen, was in Österreich wirklich gebaut wird. Gerade die intensive berufliche Auseinandersetzung mit sogenannter »gelungener« oder »guter« Architektur schärfte den Blick in ihr für das, was ausserhalb der elitären Darstellung des guten Geschmacks liegt. Sowohl Neubauten als auch renovierte Häuser stechen durch ihre grelle Farbgebung wie menschengeschaffene Fremdkörper aus ihrer Umgebung hervor. Durch die bewusst zurückgehaltene Bildsprache Erlachers mutieren ihre »Eigenheime« zu fast absurd anmutenden Spielzeughäusern und umschreibt damit Tendenzen die in Österreich nicht nur in der Steiermark auffindbar sind.
In der neueren Werkgruppe »Details« konzentriert sich ihr Blick auf Einzel- oder Besonderheiten, die durch die sorgfältige Wahl des Ausschnitts und der Bildkomposition nahezu absurde Qualitäten erhalten. Es sind wie sie selbst bemerkt »architektonische ready mades«, durchaus künstlerische Ansätze, die aber in ihrem Anfangsstadium steckengeblieben sind und so wieder auf die kuriosen Ausprägungen des Häuslbauer-Universums verweisen. Fotografierte Skulpturen banaler Alltäglichkeit, auch Hässlichkeit auf irgendeine Weise skurill aber auch schön. Diese Poesie des entdeckten Alltags, die Erlacher vorfindet und mit ihrer Kamera festhält, bilden den Reiz ihrer Arbeit.
Gregor Graf
Fotografische Arbeiten mit Straßenansichten von Linz bilden die Werkgruppe »Hidden Town« von Gregor Graf. Allerdings bietet Graf dem Blick der Betrachter:innen Aufnahmen, die von sämtlichen sonst im öffentlichen Raum vorhandenen Zeichen sowie menschlichen Daseins bereinigt sind. Durch gezielt gesetzte Retuschen brachte Graf sämtliche Reklametafeln und Hinweisschilder zum Verschwinden und betont durch dieses Verfahren die architektonischen und strukturellen Kennzeichen der Stadt auf extreme Art.
Die Straßenzüge wirken unwirklich, kulturell austauschbar und fremdartig, wie Modellbauten für urbane Konzepte. Sie verlangen eine neue Art der Wahrnehmung, jenseits gewohnter Muster unserer alltäglichen visuellen Erfahrung, die längst auf das permanente Abtasten von Logos und verbalen Informationen im kommerzialisierten öffentlichen Raum konditioniert sind. Es erschließt sich ein Blick auf sonst verdeckte Architektur und »geklärte« Raumsysteme. »Ich habe in Linz gezielt nach Architektur der 60-er und 70-er Jahre gesucht und die Standorte für meine Bilder unter anderem nach Aspekten der strukturalen Versschachtelung ausgewählt; auch die ursprünglich historischen Bedeutung der Strassenzüge und deren Wandlung spielte dabei ebenfalls eine Rolle.« In einer Zeit des Rückzugs in die eigenen vier Wände , der Verschaltung der Reality und Live Shows des Fernsehens und den virtuellen Welten der Computer bleibt dem Künstler immerhin noch die Möglichkeit der Auflehnung – und das macht Graf, indem er die Stadt neu entwirft.
Edgar Knaack
In älteren fotografischen Arbeiten hat Edgar Knaack die Spuren der Vergangenheit an abgerissenen Gebäuden dokumentiert. Nunmehr sind es, angeregt durch eigene Bilder kommunalen Wohnbaus, die an der Peripherie errichtet wurden, Spuren der Zukunft, die beschreiben was kommen wird. Knaacks Interesse gilt in den neueren und im Fotohof erstmals präsentierten Arbeiten der Schnittstelle von Urbanität und Ländlichkeit, jenem Grenzbereich der Peripherie, wo städtische Planung in den leeren Raum vorangetrieben wird. Seine Blicke konzentrieren sich auf die architektonische »Landnahme«, die einerseits aus kommerziellen Gründen, andererseits aus urbanen städtebaulichen Maßnahmen erfolgt. Er richtet sein Auge und die Grossformatkamera in bewährter dokumentarischen Stils auf die direkte Konfrontation von Wohnraum und Nutzraum, beobachtet hauptsächlich an den Grenzen Wiens und im benachbarten Niederösterreich. «Es beginnt mit einer Straße, dann folgen Plakatwände und schließlich die weitere Infrastruktur die zur Landnahme führen«. Damit reflektiert Knaack die ersten Symptome eines mittlerweile globalen Phänomens, nämlich die Verselbstständigung der Peripherie. Was früher die Kernzone jedes Ortes war, wurde zu einer Fussgängerzone. Heute entstehen selbst an der Peripherie kleiner Orte (siehe Eugendorf, Wals) Geschäftszentren, wo der Einkauf losgelöst vom Bedarf zum Eventerlebnis mutiert. Die Spuren dazu ortet Knaack fast überall, in sorgfältigen Kompositionen und Beobachtungen integriert er die vorgefunden Vorboten der Landnahme in seine präzisen Landschaftaufnahmen und dokumentiert die Ambivalenz einer melancholischen Grundstimmung.