Edith Tudor-Hart
Edith Tudor-Hart
In dieser Ausstellung zeigt das FOTOHOF>ARCHIV das neu entdeckte und jetzt erstmals ausgestellte Spätwerk der bedeutenden britisch-österreichischen Fotografin Edith Tudor-Hart. Die Fotografien wurden in den frühen 1950er Jahren aufgenommen und in einem zweibändigen pädagogischen Einführungswerk zur schulischen Früherziehung unter dem Titel »Moving and Growing« (London 1952) publiziert. Diese Arbeit vereint zwei für die Fotografin gleichermaßen bestimmende Elemente ihres Lebens: die Erziehung von Kindern und die sozial engagierte Fotografie.
Edith Tudor-Hart entstammt einer säkularisierten jüdischen Familie aus Wien und ihre erste Berufsausbildung war Kindergärtnerin mit besonderem Interesse an moderner, aufgeklärter Pädagogik. Sie absolvierte auch entsprechende Montessori Kurse in London. Später wandte sie sich der Fotografie zu und nach Studien an der Wiener »Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt« und am »Bauhaus Dessau« ging sie nach London ins Exil, um dort sehr erfolgreich als Fotografin zu arbeiten. Der Bruder von Edith Tudor-Hart ist der Fotograf und Filmemacher Wolf Suschitzky (1912–2016), dessen Lebenswerk sich ebenfalls im FOTOHOF>ARCHIV befindet.
Überschattet wurde ihr Leben und ihre berufliche Tätigkeit durch ihr Engagement in einem britischen Spionagering zugunsten Moskaus. Dieser nie ganz aufgeklärten Episode hat der Schriftsteller Peter Stephan Jungk mit »Die Dunkelkammern der Edith Tudor-Hart« ein intensiv recherchiertes Buch gewidmet. Darin wird sichtbar, dass diese Situation ihr Leben nachhaltig zerstörte und sogar zu einer weitgehenden Vernichtung ihrer Negative und Fotografien in den frühen 1950er Jahren führte.
Genau zu diesem Zeitpunkt beginnt sie mit einem neuen Fotoauftrag des britischen Erziehungsministeriums. Diese im FOTOHOF>ARCHIV ausgestellten Bilder wurden von ihren original Negativen gescannt und ausgedruckt. Edith Tudor-Hart hat für dieses Projekt mehrere Schulen und Internate in der weiteren Umgebung von London besucht und dort die Schüler bei sportlichen Aktivitäten, bei Tanz- und Bewegungsübungen fotografiert. In einem Interview anlässlich der Aufführung des Films »Tracking Edith«, der auf Peter Stephan Jungks Buchrecherchen beruht, sagt er über diese besondere fotografische Arbeit: »Sie ist großartig. Jedes Mal, wenn ich sie sehe, bin ich gerührt. Aber sie ist nicht bekannt genug, und das ist eine Schande.«
In vielen Ausstellungsbildern ist noch das »making of« deutlich zu sehen, da bei der Ausarbeitung im FOTOHOF>ARCHIV immer das gesamte Negativ vergrößert wurde. So sind teilweise die von Edith Tudor-Hart verwendeten Kunstlichtlampen und ihre Einzeichnungen für die spätere Wahl des Bildausschnitts auf den Negativen zu sehen. Dies gibt den Bildern einen improvisierten und spontanen Charakter und lässt Einsichten in Tudor-Harts Arbeitsweise zu. Gleichzeitig wird aber auch sichtbar, wie intensiv und mit welch großem Einfühlungsvermögen sie sich dem Thema der aufgeklärten und körperlich betonten Erziehung von Kindern widmete.
Zusätzlich enthält die Ausstellung ausgewählte Bilder von zwei weiteren kleinen Reportagen, die ebenfalls Teil des Negativ-Nachlasses waren. Einerseits eine Serie über die »Wartime Nursery Guildford in Somersham« (1941), eine der ersten Kinderbetreuungs-Einrichtungen, die während des Zweiten Weltkriegs in mehreren englischen Städten eingerichtet wurden. Andererseits eine Reportage zur Arbeit an der »Bromley Art School« (1952) in der Nähe von London.
Die Negative von Edith Tudor-Hart sind Teil des Nachlasses, der von der Familie Suschitzky an das FOTOHOF>ARCHIV übergeben wurde. Die Ausarbeitung der Negative zu Ausstellungsbilder erfolgte durch das FOTOHOF>ARCHIV.