Wolf Suschitzky
No resting place
Mit dem fotografischen Werk Wolfgang Suschitzkys nimmt der FOTOHOF die historisch bedeutsame Position einer aus Österreich stammenden, jedoch von Flucht und Exil geprägten, Persönlichkeit in den Blick. Der Nachlass des 2016 im Alter von 104 Jahren in London verstorbenen Wolf Suschitzky wurde 2018 dem FOTOHOF>ARCHIV als Dauerleihgabe übergeben, wo es wissenschaftlich aufgearbeitet und zugänglich gemacht wird. Das Ausstellungsprojekt »Wolf Suschitzky − No Resting Place« versteht sich jedoch nicht als Retrospektive des, von den 1930er Jahren bis ins frühe 21. Jahrhundert reichenden Gesamtwerks des Fotografen und Kameramanns. Vielmehr nimmt es sich mit dem Thema »Arbeit« eines, im Werk des gebürtigen Wieners allgegenwärtigen Stoffs an und richtet so den Blick auf inhaltliche Kontinuitäten in einer von Emigration und Exil durchbrochenen Biografie. Wolfgang Suschitzky (*1912) wächst in einer, ganz den Lehren der Wiener Sozialdemokratie verpflichteten, jüdischen Familie auf. Sein Vater ist Mitbegründer des Anzengruber Verlags und der ersten − sozialdemokratischen − Buchhandlung im Wiener Arbeiterbezirk Favoriten. Beide Einrichtungen werden nach dem sogenannten »Anschluss« zwangsweise geschlossen. Während ein großer Teil seiner Familie von den Nationalsozialisten ermordet wird, überlebt Wolf Suschitzky im britischen Exil, in das er bereits 1934, aufgrund der politischen Entwicklungen im österreichischen »Ständestaat« geflohen ist.
In London findet er Zugang zur britischen Dokumentarfilm-Bewegung. Gemeinsam mit deren Vordenker Paul Rotha dreht Wolf Suschitzky Filme wie »World of Plenty« (1943) und »No Resting Place« (1951) und wird selbst zum wichtigen Vertreter dieser Bewegung, deren Ziel eine naturalistische Abbildung sozialer Verhältnisse ist.
Aber nicht nur als Kameramann, auch als Fotograf richtet Wolf Suschitzky seinen Blick auf jene Bereiche des Lebens, die bereits der väterlichen Buchproduktion ein Anliegen gewesen waren. Er ist ein nüchterner Beobachter gesellschaftlicher Zusammenhänge, auch wenn er selbst bemerkt, dass »[…] ein Fotograf, der an den sozialen Zuständen Anteil nimmt und mit menschlichem Leid in Berührung kommt […] für gewöhnlich parteiisch [ist].« In Wolf Suschitzkys sachlichen aber stets respektvollen Bildern findet dieser Satz eine direkte Entsprechung.
Und so ist es vielleicht die Haltung, die in Wolf Suschitzkys gesamtem Werk spürbar wird und die sich auch über jene Bildserien vermittelt, die nun im FOTOHOF zu sehen sind, in der die spezifische Qualität dieser historischen Position auszumachen ist. Denn seine fotografische Beschreibung einer rastlosen, von harter und pausenloser Arbeit geprägten Welt, gibt eben nicht nur den Blick auf globale Lebens- und Arbeitsverhältnisse frei, sondern zeichnet auch das Bild eines unbeirrbaren Humanisten. Eines Humanisten allerdings, der in Österreich nicht hätte überleben können.