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State of Work

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Slawomir Elsner, Katja Eydel, Stephen Gill, Sophie Hultén, Martin Keil & Henrik Mayer Reinigungsgesellschaft, Michaela Schweiger, Vassiliea Stylianidou, Tobias Zielony

>04.05.–16.06.2007
Installationsansicht, »State Of Work«, 2007, © FOTOHOF

Angst vor dem drohenden Verlust von Arbeit oder vor der Langzeitarbeitslosigkeit produziert Unsicherheiten und neue Dispositionen für Verunsicherungen. Der Sicherheitsfaktor Arbeit hat sich längst in einen Unsicherheitsfaktor verwandelt, ständig begleitet vom drohenden Verlust und dem Bewusstsein, dass Vollzeitbeschäftigung Mangelware ist, oder dass geleistete Arbeit nicht mehr den Lebensunterhalt abdecken kann. Die Ausstellung im FOTOHOF und in der Arbeiterkammer Salzburg beleuchtet Verunsicherungsfaktoren innerhalb von gesellschaftspolitischen Arbeitssystemen. Unsicherheiten, die sowohl prekäre Arbeitsbedingungen und Zustände am Arbeitsplatz betreffen als auch Identitätsproblematiken mit der zu verrichtenden Tätigkeit. Ebenso untersucht werden Verunsicherungsprozesse, die sich mit Folgewirkungen von Arbeitslosigkeit befassen. Die Künstler:innen thematisieren folgende Fragen: Wie wird sich die Bedeutung von Arbeit verändern und was sind die Auswirkungen auf den realen und den imaginären Alltags-Ebenen? Bestimmt der Unsicherheitsfaktor nicht mehr und mehr den Wert von Arbeit mit? Und ist soziale Sicherheit endgültig nur mehr ein Privileg der Reichen? Slawomir Elsner inszeniert sich in unterschiedlichen Umgebungen und dazu passender (Ver)Kleidung: als Lehrer, als Polizist, als Bademeister, als Beerdigungsunternehmer, als Taxifahrer und so weiter. Das Schlüpfen in unterschiedliche Arbeitsrollen scheint auf den ersten Blick sehr einfach zu sein. Die entsprechende Kleidung lässt auf die jeweiligen Berufsidentitäten schließen. Ebenso wie die jeweiligen authentischen Kontexte, verweisen sie als Indizien auf bestimmte Identifizierungsprozesse mit Berufsgruppen. Ein Spiel mit Repräsentation von Arbeit, das verschiedene Berufszweige als Experimentierfeld für Selbstdarstellung und ihrer Wirkungen erforscht. Mit welcher Arbeit kann ich mich identifizieren, oder ist jede Arbeit eine Rolle und warum definieren wir uns über Arbeit? Katja Eydel fotografiert das Innenleben einer gewerblich produzierenden Großfirma in Berlin. Sie konzentriert ihren Blick auf das Distanzverhältnis, das die Beziehung der Arbeitnehmer:innen zu ihrer Arbeit sowie zu ihrer Arbeitsumgebung definiert. Automatismen der Handlungsabläufe bestimmen den Arbeitsalltag, Beziehungselemente zu der zu verrichtenden Arbeit sowie zu den Arbeitsräumen scheinen ausgeblendet zu sein bzw. nicht vorhanden. Fehlende Identifikationszonen bewirken Entfremdungsprozesse innerhalb des Systems Subjekt-Arbeit bzw. Subjekt-Arbeitsort. Identitätsfördernde Prozesse und Zonen wie Ausbildungen oder Berufe verlieren ihren Stellenwert und können in Zeiten des omnipräsenten Flexibilisierungsgebots und der Ökonomisierung aller Bereiche keinen Schutz mehr vor Verunsicherungen bieten.

Tobias Zielony, »Aral 1«, 2005, C-Print, 48 x 72 cm

Stephen Gill fotografiert den Flohmarkt/Schwarzmarkt von Hackney Wick mit einer dort erstandenen Bakelit Plastikkamera. Hackney Wick liegt am Stadtrand von Londen, ein heruntergekommener Bezirk der auf das Jahr 2012 wartet, in dem das dort gelegene Stadion Olympiaschauplatz sein wird. Inzwischen wird Handel betrieben, mit Schrott, Autos, Elektronikgeräten, Gebrauchsgegenständen, etc. Innerhalb eines autonomen Marktes, der seine eigenen Gesetze und Warenwerte festsetzt, wird versucht, der vom internationalen Markt produzierten Unsicherheit und deren Verunsicherungsstrategien in einer Art selbstorganisierter Marktwirtschaft entgegenzuwirken. Der Handel mit Abfallprodukten kapitalistischer Konsumgesellschaften repräsentiert einen produzierten Marktplatz der Unsicherheiten.
Sofia Hultén inszeniert zwölf Versuche und Möglichkeiten sich in Büroräumen zu verstecken. Sie kriecht unter den Teppichboden, verschwindet in, hinter oder unter Büromöbeln, Topfpflanzen oder in der Toilette. Der Arbeitsplatz ist vorhanden aber leer, keine Arbeit und keine Angestellten sind anwesend, bis auf eine. Die letzte übrig gebliebene Angestellte bemüht sich unsichtbar zu werden. Sie scheint eingesperrt in Räumen der Arbeit, aus denen es kein Entkommen gibt. Eingesperrt in einem System, in dem die Arbeit bereits verschwunden ist, physische Präsenz jedoch erzwungen ist und in der sie nach Notausgängen, oder Notverstecken sucht. Grauzonen zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit, oder eine Flucht vor Arbeit, die als Fremdobjekt nichts mit der eigenen Identität zu tun hat, jedoch überlebenswichtig ist. Die Reinigungsgesellschaft untersucht in ihrer Arbeit, wie sich menschliches Leben in effizienzorientierte, flexible Strukturen einschreibt. In einer Videoinstallation setzt sich die RG mit der Virtualisierung von Arbeitsprozessen auseinander. Hierzu sind Aufnahmen von automatisierten Bewegungsabläufen in Produktions und Dienstleistungsbetrieben entstanden. Das physische Bewegungspotenzial des Arbeiters wird in den Freizeitbereich verlagert. Im Rahmen des Projektes entwickelte die RG fotografische Bildserien, die prekäre gesellschaftliche Handlungsräume und vorhandenes Protestpotenzial thematisieren. Prekäre Gesellschaftsräume werden als existenzgefährdende Überlebensbedingungen und Unsicherheitsfaktoren sichtbar gemacht. Michaela Schweiger kombiniert Fragmente des Films »Themroc« (1972) mit eigenem Filmmaterial über die Planstadt Hoyerswerda. Themroc (Michel Piccoli), ein Anstreicher hat genug von fordistischen Arbeitszwängen und hierarchischen Ritualen kapitalistischer Produktionssysteme. Er bricht alle Brücken hinter sich ab und ein Loch in die Wand seines Zimmers, in dem er von nun an als Prototyp eines von allen Zwängen und Normen befreiten Subjektes lebt. Dieser revolutionären Geste gegen die Verdinglichung des Subjekts durch Instrumentalisierungsprozesse mittels Arbeitsbedingungen stellt Michaela Schweiger Entsubjektivierungsprozesse durch Verlust von Arbeit gegenüber. Das Warten von Arbeitslosen auf Arbeitsgelegenheiten wird als Aufreihung in einer Gruppe inszeniert, die Positionierung von Arbeitslosen auf der Straße wird als Abstellaktion vorgeführt. Wird Unsicherheit generiert um Arbeitgeberpositionen zu stärken und vorauseilenden Gehorsam zu produzieren? Neben existentiellen und gesellschaftlichen Verunsicherungen werden so körperliche und psychische Verunsicherungen produziert.
Vassiliea Stylianidous Installation besteht aus einer Reihe von Videostills, die auf einer vorausgehenden, mehrteiligen Videoarbeit basieren. Jedes Video zeigt einzelne »Etagen« des gleichen Kameraschwenks, der wiederum in einzelnen, halb sekundigen Standbildern gezeigt wird. Die Videos sind sowohl zeitlich als auch räumlich in Fragmente zerlegt, zeigen einen jeweils parallel verschobenen Bildausschnitt des porträtierten Raumes und der Person, eines Angestellten. Zwischen den Videobilder informiert eine Textanimation auf einem Monitor über den Bekleidungs- und Verhaltenscodex, den der Angestellte zu verfolgen hat. Eine Coperate Identity, die Raumdesign, Kleiderdesign und soziales Design vorprogrammiert, definiert Arbeitskontexte und die darin agierenden Angestellten. Verhaltensregeln und Vorschreibungen suggerieren Sicherheit, die über räumliche und zeitliche Dekonstruktionsprozesse von Arbeit hinwegtäuschen sollen um scheinbare Orientierungsrichtlinien festzusetzen. Tobias Zielony porträtiert den Alltag von Jugendlichen aus Bristol, Newport, Marseille und Halle-Neustadt. Er begleitet die Jugendlichen über Wochen und Monate und erhält so, an Orten fortschreitender gesellschaftlicher Marginalisierung, Einblicke in ihre Suche nach Identität. Mit ihrer Weigerung, an gesellschaftlichen Strukturen und Institutionen teilzuhaben, entziehen sie sich der Kommunikation der Erwachsenen, was zunächst zu einer Sprachlosigkeit führt, die sie nach und nach durch eigene Codes und Symbole ersetzen. Arbeit steht für diese Jugendlichen weder als reales Objekt noch als Idee zur Disposition, da sie ein unerreichbares Phantasma ist. Soziale Codes, Identitäten und Sicherheit in der Unsicherheit konstituieren sich durch das Mitgliedsein in Gangs. Gruppierungen mit hierarchischen Strukturen definieren sich über gemeinsamen Alltags- und Überlebenskampf, über territoriale Markierungsrituale, über Freundschaften oder Gewalt. Folgeerscheinungen von Bedingungen der Aussichtslosigkeit, in denen Überlebensformen und Selbstorganisationen jenseits von Arbeitsmöglichkeiten praktiziert werden und Unsicherheit für eine alltägliche und generelle Lebensform steht.

Kuratiert von Sabine Winkler
In Kooperation mit Arbeiterkammer Salzburg