Book Talk
Gespräche über neue Bücher in der FOTOHOF>EDITION
Vincent Forstenlechner »ROYGBIV«
Das fotografische Langzeitprojekt (2016–2022) ist das Ergebnis der fortwährenden Aufzeichnung eines Gefühls: der Suche nach den persönlichen Spuren der Zeit. Die Serie beschäftigt sich mit dem eigenen Aufwachsen und dem Wiederentdecken des zurückgelassenen Heimatorts. Es wird versucht zu entschlüsseln, was es bedeutet, sich verbunden zu fühlen und gleichzeitig zunehmend von der prägenden Zeit des Erwachsenwerdens distanziert zu sein. Aus einer Sammlung von Erinnerungen und Hoffnungen webt sich die persönliche Bindung, doch die visuelle Oberfläche bleibt scheinbar unverändert. »ROYGBIV« untersucht diese ambivalente Verbindung zu den Landschaften und Persönlichkeiten, die Teil der eigenen Lebenswirklichkeit im Salzburger Umland geworden sind. Dabei wird die Fotografie genutzt, um die imaginierte Erinnerungswelt zu beschreiben und festzuhalten, wie sich diese Vorstellung bei jedem Besuch verändert.
Der Titel ist ein Akronym für die Farben des Regenbogens, eines optischen Phänomens, das in den vielen Sommern immer wieder in den Landschaften erschien. Die Farben des Bogens hängen dabei von der Position der Betrachter:innen ab. Mit jedem Schritt verändert sich die Zusammensetzung.
Vincent Forstenlechner im Gespräch mit Valentin Backhaus.
Michael Jochum »Gemischter Satz«
Michael Jochums Fotografie entspringt einem inneren Anliegen, einer Ahnung folgend, ein Bild zu suchen, dem wiederum in einem fortdauernden Prozess das nächste folgt. Sein Motiv ist die Fotografie selbst. Jochum arbeitet mit analoger Fotografie, frei nach dem Motto von Fernando Pessoa: »Die höchste Wahrheit liegt in der Fiktion«. So ergeben sich beim Betrachten der Bilder und der Bildfolgen Assoziationen, die über das Abgebildete hinausweisen: Porträt-, Objekt- und Landschaftsaufnahmen entfalten Geschichten wie Träume, Unsichtbares scheint durch, wird wichtiger als das, was zu sehen ist. »Gemischter Satz« bringt das künstlerische Schaffen auf den Punkt. Der Titel bezeichnet den Wein aus verschiedenen Rebsorten, die gemeinsam geerntet, gekeltert und vergoren werden. Der Vorgang der Weinbereitung wird hier im übertragenen Sinne auf die Zusammenstellung des Buches angewandt, indem die Schwarz-Weiß-Fotografien aus unterschiedlichen Serien neu kombiniert wurden. Ein imaginärer roter Faden verbindet die einzelnen Motive, ohne sich an einer zeitlichen Chronologie zu orientieren, wodurch die bildsprachliche Arbeitsweise Jochums weniger der Prosa als der Lyrik verwandt ist. Das Künstler:innenbuch wird von einem eigenständigen literarischen Text von Anna Weidenholzer begleitet.
Michael Jochum im Gespräch mit Mateusz Dworczyk.
Luise Schröder »Strömungen in Bewegung«
Ausgehend von ihrer ostdeutschen Biografie (geb. 1982 in der ehemaligen DDR) setzt sich die Künstlerin in ihrer Publikation »Strömungen in Bewegung« inhaltlich und ästhetisch mit den oft vergessenen Aktivitäten nichtstaatlicher Frauen- und Lesbengruppen sowie queerer Menschen in der DDR der 1980er und 1990er Jahre auseinander. Sie widmet sich dabei teilweise bisher unveröffentlichten Bild- und Textkonvoluten aus dem GrauZone-Bestand des Archivs der DDR-Opposition der Robert-Havemann-Gesellschaft und dem Spinnboden Lesbenarchiv.
Indem sie die Archivmaterialien subjektiv und aus künstlerischer Perspektive bearbeitet und verfremdet, thematisiert sie nicht nur die geschichtlichen Leerstellen, sondern beleuchtet auch die Bedeutung von Archiven als wirkmächtigen Institutionen im Kontext von Erinnern und Vergessen. Darüber hinaus erforscht Luise Schröder die Poesie, die den Archivmaterialien innewohnt. Verschüttete und utopische Momente, die in der Geschichte angelegt sind, werden durch Selektion, Bearbeitung und Verfremdung des Materials hervorgehoben. So entstehen plurale Sichtweisen auf historische Verhältnisse.
Luise Schröder im Gespräch mit Birgit Sattlecker.
»Edith Tudor-Hart. Ein klarer Blick in turbulenten Zeiten«
Das Werk der Österreichisch-britischen Exilfotografin Edith Tudor-Hart (1908–1973) wird in diesem Bildband in einer neuen und umfangreichen Retrospektive gezeigt. Ihr Leben wird in den Texten der Autor:innen detailreich nachgezeichnet.
Edith Tudor-Hart wies als eine zentrale Protagonistin der sozialdokumentarischen Fotografie zwischen 1930 und 1955 auf gesellschaftliche Missstände hin. Sie behandelte Themen wie Armut, Integration und Frauenrechte und portraitierte die Lebensbedingungen der arbeitenden Klasse. Ihr Werk ist auch von avantgardistischen Elementen des »Neuen Sehens« gekennzeichnet und leistete einen wichtigen Beitrag zur Darstellung progressiver Erziehungsmethoden, modernistischer Architektur und des modernen Tanzes.
Katrin Froschauer, Grafikerin des Buchs, im Gespräch mit Peter Schreiner.
