ANTI/KÖRPER
Claudia Holzinger, Leon Höllhumer, Kai Kuss, Xenia Lesniewski, Daniel Rajcsanyi, Sophia Süßmilch, Sarah Tasha
Mit ANTI/KÖRPER führt der FOTOHOF künstlerische Positionen zusammen, welche Körper als konkretes Werkzeug nutzen, um Erzählungen und Bilder zu schaffen, die sich einer klaren Zuordnung in ein bestehendes, durch einen (wie auch immer gearteten) »Herrschaftsblick« etabliertes System entziehen. Mit Claudia Holzinger, Leon Höllhumer, Kai Kuss, Xenia Lesniewski, Daniel Rajcsanyi, Sophia Süßmilch und Sarah Tasha wurden zeitgenössische Künstler:innen eingeladen, die ihre jeweiligen künstlerischen Praxen als strategische Mittel zur symbolischen und expliziten Selbstbehauptung einsetzen und auf diese Weise der, aus der Aufklärung noch heute auf uns kommenden, patriarchalen Vernunft mit ihrer Leidensspur von Ausgegrenztem, Abgespaltenem, Marginalisiertem, Zerstörtem und Verdrängtem dezidiert entgegenstehen.
Der titelgebende Begriff »Antikörper,« welcher sich üblicherweise auf, vom Immunsystem zur Bekämpfung von Krankheitserregern produzierte Proteine bezieht, symbolisiert in diesem Zusammenhang unter anderem die Idee des Widerstands und der Abwehr. Die ausgewählten künstlerischen Positionen diskutieren gesellschaftliche Normen, Zwänge und Stereotypen, erkunden individuelle wie kollektive Identitäten und blicken auf Formen der Unterdrückung. Sie schaffen alternative Perspektiven auf bestehende Wertesysteme, hinterfragen traditionelle Narrative und erfüllen so eine kulturelle Schutzfunktion, welche in jener biologischen der Antikörper ihre Entsprechung finden könnte.
Claudia Holzinger
In CLAUDIA HOLZINGERS installativem Auszug aus der Serie »Coming of Age Wear« lassen sich Versatzstücke einer Geschichte dokumentarisch-sachlich-konzeptueller Fotografie, aber auch Anklänge an die historischen Gebrauchsweisen des Mediums als Hilfsmittel zur Kategorisierung und Disziplinierung von Individuum und Gesellschaft entlang visueller Attribute finden. Vor diesem theoretischen Hintergrund verhandelt die Künstlerin im Blick auf die eigene Vergangenheit Fragen zur Politisierung von Körper, zur Bedeutung historischer und aktueller Rollen- und »Leitbilder«, zu etablierten Moralvorstellungen und Machtstrukturen. Der bewusst unbeholfen ins Bild gesetzte Versuch einer visuellen Beschreibung des Selbst wird dabei zu einer mitunter tragisch-komischen Erzählung über persönliche Lebenszeit, Gesellschaft, Macht und popkulturelle Historie.
Leon Höllhumer
LEON HÖLLHUMERS grell-anarchistische Arbeiten entstehen zumeist im Rahmen performativer, mit aufwendig gearbeiteten Requisiten reich bestückter, Happenings, die erzählerisch irgendwo zwischen Screwball-Comedy und Horrorfilm angesiedelt sind. Fließend verbinden sie Elemente aus Performance, Fotografie, Skulptur, Film und Storytelling zu einem medialen Mix, welcher weniger einer geradlinigen Erzählung als der Schaffung grotesker, künstlerischer Habitate verpflichtet scheint. In diesen dystopisch-karnevalesken Märchenwelten treffen aus Kunstwelt und Subkultur entlehnte Gestalten auf fantastische Chimären, werden glasierte Keramiken zu bizarren Werkzeugen, Prothesen und Requisiten für Shows, die sich, je nach Konzeption, zu temporären stages und sozialen Plastiken auswachsen können.
Kai Kuss
In KAI KUSS’ semi-dokumentarischem Video-Alptraum »Cueva Del Mal« (Höhle des Bösen) vollzieht der Filmemacher einen, mit den einfachsten filmischen Mitteln vorgenommenen, Abstieg in eine, von psychoanalytischer Sexualmetaphorik und archaischem Grauen durchwirkte Unterwelt. In einer wilden Vermengung von Amateur- und Exploitation-Film, von homerischen und alttestamentarischen Motiven, stolpern schräge Figuren durch eine nicht weniger schräge Story, deren tragende Elemente die unwirtliche Landschaft und der damit korrespondierende, malträtierte Körper des Protagonisten darstellen.
Xenia Leśniewski
XENIA LESNIEWSKIS multidisziplinäre Praxis entsteht zwischen Malerei, Installation, Fotografie, Video und Performance. In der Verknüpfung von Kunst und alltäglicher Wirklichkeit, der Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und öffentlichem Raum stehen für sie die Verwerfungen des neoliberalen Zeitalters ebenso im Fokus, wie eine möglichst fließende Einbettung künstlerischer Interventionen in ihr persönliches Umfeld. In der Serie »Selfportrait On Cars« praktiziert Xenia Lesniewski eine bildmäßige Aneignung von privatem Eigentum im Stadtraum. In einer Mischung aus feministischem, provokantem und humorvollem Übergriff entsteht eine Kontroverse über die Annexion fremden Ei- gentums, die Unverhältnismäßigkeit wirtschaftlicher Strukturen und die Gestaltung öffentlichen Raums.
Daniel Rajcsanyi
Ein männlicher Rückenakt, dominant ins Bild gesetzt. Eine Tätowierung scheint dem Mann, dessen Augen verbundenen sind, einen Namen zu geben. Die unzweideutige Atmosphäre des Bildes verbindet DANIEL RAJCSANYI räumlich mit dem moralisierenden Inhalt einer schwäbisch-pietistischen Stickerei und läßt so einen geradezu bösartigen Sinnzusammenhang entstehen. Daniel Rajcsanyi verknüpft großformatige Fotografien mit Elementen aus Volkskultur, Kitsch und Erotik-Supermarkt. Er entwirft Installationen, die zwischen der Inszenierung intimer, von alltäglichen Normen losgelöster, Momente und der Dokumentation subkulturellen Lebensstils angesiedelt sind. Seine Bildräume setzen sich bewusst über gesellschaftliche Konventionen und tradierte moralische Wertvorstellungen hinweg. Sie entwerfen gleichermaßen kindliche wie boshafte, hermetische und doch an vielen Stellen mit der Wirklichkeit verbundene, Bildblasen.
Süssholz
Seit 2020 verbindet SOPHIA SÜSSMILCH und CLAUDIA HOLZINGER eine kollaborative Praxis, in der sich die beiden Künstlerinnen unter dem Namen SÜSSHOLZ der Schaffung von, im Studio erarbeiteter, vielteiliger fotografischer Bildserien widmen. Ihre Arbeitsweise ist dabei unmissverständlich direkt und auf spielerische Weise provokant. In unbekümmert-burlesken Inszenierungen werden die eigenen Körper als subjektivierende Projektionsflächen genutzt, um Geschlechterrollen zu diskutieren und, aus einer breiten kunsthistorischen Motivpalette zitierend, klassische Körperbilder als Vermittlungsmedien politisch propagierter Moral und sozialer Normen zu de-konstruieren.
Sarah Tasha
In ihren* inszenierten fotografischen Selbstporträts erforscht Sarah Tasha die eigene genderqueere Transidentität sowie Ideale, welche ihr* als weiblich gelesene Person gesellschaftlich auferlegt werden. Sie nutzt moderne digitale Werkzeuge, Technologien der Augmented Reality und Artificial Intelligence, um, eine klar queer-feministische Perspektive einnehmend, künstliche Selbstbilder zu schaffen und diese zu collagieren, zu transformieren und zu sabotieren. In ihrer* Praxis als Performance-Künstler*in verbindet Sarah Tasha Elemente aus Drag und Popkultur und erweitert ihre* Bühne in den virtuellen Raum, wo sie* die Grenzen zwischen Performance-Kunst, Kabarett und Social-Media-Content verschwimmen lässt.
Hinweis: Diese Ausstellung enthält explizite sexuelle Inhalte, die einige Besucher:innen als provokant empfinden könnten. Wir empfehlen, dass Eltern und Erziehungsberechtigte die Ausstellung vorab besichtigen, um die Eignung für jüngere Besucher:innen zu beurteilen. Vielen Dank für Ihr Verständnis.